Vertrauensvolle Führung, besseres Arbeitgeberimage?
Keine Frage, Covid-19 stellt uns alle auf die Probe. Als Privatpersonen ebenso wie als Führungskräfte und Mitarbeiter. Doch in jeder Krise steckt auch eine Chance. Führungskräfte, die jetzt die richtige Einstellung haben, stärken das Arbeitgeberimage besser als so manche Marketing-Kampagne.
Führungskräfte sind Repräsentanten und Entscheider, Bergführer und Mit-Gestalter, stehen sichtbar im Wind und sind buchstäblich verantwortlich für alles. Sie haben eine Schlüsselposition inne – über die sie die Werte und die Kultur ihres Unternehmens beeinflussen können. Wer Führungsverantwortung hat, hat also auch Einfluss auf das Arbeitgeberimage. Ein gewichtiger Punkt, auch und gerade in Zeiten von Corona. Aber von vorne …
Wie sieht es denn in der Wirtschaft gerade aus?
Covid-19 hat gnadenlos die Schere angesetzt und einen riesigen Schnitt durch unsere Wirtschaft gemacht. Auf der einen Seite haben wir Unternehmen, die ihren (Erfolgs-)Kurs ungebremst weiterfahren können oder sogar von der Pandemie profitieren (z. B. IT-Unternehmen und Online-Shops). Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, die seit vielen Monaten nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können und kurz vor der Insolvenz stehen.
Was heißt das für den Führungsstil?
Führung musste sich über Nacht durch den wiederholten Lockdown einer neuen Realität stellen und neu erfinden. Wie halte ich den Laden zusammen? Wie motiviere ich mein Team? Wie geht das mit Home-Office und virtuellen Besprechungen? Ebenso ging es den Mitarbeitenden: Wie wird das mit Home-Office? Was wird aus der Firma? Und was macht mein Chef schon wieder im Online-Meeting?
Ganz plötzlich waren Führungskräfte in Unternehmen sichtbarer und nahbarer. Wenn auch primär virtuell. Das ist für viele Mitarbeitende ungewohnt, macht jedoch einen entscheidenden Unterschied: Es gibt menschliche Gespräche und ein echtes Interesse daran, wie es den Mitarbeitern geht.
Warum dieser Unterschied so wichtig ist? Weil sich etwas zum Positiven verändert, wenn Sie als Führungskraft Sinn stiften, transparent über die aktuelle Lage und die geplanten Maßnahmen informieren, ansprechbar sind, hinter ihrem Team stehen, Möglichkeiten und Perspektiven aufzeigen. Und zwar die Eigenmotivation jedes einzelnen Mitarbeitenden. Wer dann noch einen Schritt weiter geht und seine Mitarbeitenden mitgestalten und mitentscheiden lässt, hat eine wesentliche Basis für eine erfolgreiche Führung durch die neue Zeit geschaffen. Mehr noch: Führung auf dieser Ebene schafft ein Employer Branding, das nachhaltig wirkt.
Und was ist mit der Führungskultur?
Corona beschleunigt in diesen Wochen das, was der Berater und Coach Frederic Laloux in seinem Buch Reinventing Organisations (Neuerfindung der Organisation) als entstehendes neues Organisationsmodell beschreibt: die integral-evolutionäre Organisation – eine radikal neue Form sinnstiftender Zusammenarbeit.
Wir befinden uns damit am Scheideweg einer Führungskultur, die durch Kontrolle geprägt ist und einer, die auf Vertrauen setzt.
„When trust is extended, ist breeds responsibility in return. Emulation and peer pressure regulates the system better than hierarchy ever could.“
„Wenn Vertrauen gewährt wird, entsteht im Gegenzug auch Verantwortung. Nachahmung und Gruppenzwang regulieren das System besser als es Hierarchie je könnte.“
Frederic Laloux
Wie Laloux darauf kommt? Er hat sich wie wir die alles entscheidende Frage gestellt: Was braucht ein Mensch, um von seiner Arbeit erfüllt zu sein und seine Arbeitskraft mit Freude einzubringen? Die Antwort darauf: eine sinnstiftende Zusammenarbeit und sinnstiftende Führungskräfte. So weit, so gut. Nur … was machen diese Führungskräfte anders? Sie haben verstanden, dass die Arbeitsgegenwart extrem komplex ist. So komplex, dass eine Aufgabe nur noch mäßige Ergebnisse bringt, wenn sie von einem hierarchisch übergeordneten Gestalter und Entscheider angeordnet wird. Wirklich erfolgreich sind Führungskräfte heute vor allem dann, wenn es ihnen gelingt, das Team und die Innovationskraft, die Erfahrung und das Wissen aller Mitarbeitenden zu nutzen.
Was passiert, wenn Führungskräfte wirklich in die Kraft kommen?
Der bisher kontrollierende, allmächtige Leader entwickelt sich immer mehr zum Sinnstifter, Facilitator, Coach, Trainer und Berater. Er gestaltet ein Umfeld, in dem sich seine Mitarbeitenden trotz oder gerade wegen Home-Office und Co. am richtigen Platz fühlen und gern ihr Bestes geben. So entsteht eine Führungs-Kraft, über die sich das Potenzial der Menschen über Vertrauen und Verstehen statt über Kontrolle und Gehorsam voll entfalten kann.
Wie wirkt sich das in der Zukunft aus?
Führungskräfte, denen eine sinnhafte Führung gelingt, öffnen einen riesigen Topf mit Potenzialen. Sie sorgen dafür, dass die Menschen in ihrem Unternehmen zusammenhalten und sich ihrem Arbeitgeber deutlich loyaler und integrer zeigen als bisher. Es darf und muss gemenschelt und offen kommuniziert werden. Wie geht es dir wirklich? Was benötigst du? Was könnte dir in dieser Situation helfen? Schließlich geht es um einen übergeordneten Sinn – das gemeinsame Über-Leben. Und das ist ohne sinnvolle Zusammenarbeit nicht (mehr) möglich.
„Das, was uns Menschen im Arbeitsleben zum Handeln bewegt, ist das emotionale „Inventar“ einer Organisation. Es geht um den gemeinsamen Glauben, den Purpose, die Werte und das gemeinsame Streben. Um den Sinn, sprich das Warum und Wofür, das uns jeden Tag motiviert.
Wer bereit ist, dieses emotionale Potenzial zu heben, ins Bewusstsein zu bringen und nach innen und außen sichtbar zu machen, stärkt sein Unternehmen und steigert den Erfolg nachhaltig.“
Andreas Kahl
Wer hier dran bleibt und für seine Mitarbeitenden da ist, tut mehr für das Image seiner Firma und das Employer Branding (die Entwicklung einer positiven Arbeitgebermarke) als er denkt: Menschen, die sich gut aufgehoben und verbunden fühlen, bleiben und sagen es weiter.
Es gibt Führungskräfte, die haben dieses sinnstiftende Gen schon bei der Geburt mitbekommen. Weitaus häufiger ist eine sinnhafte Führung jedoch eine Lernaufgabe. Denn wer zu einem „gutes Bild“ nach innen und außen beitragen möchte, muss reflektiert und bewusst die eigene Führungspersönlichkeit und die Identität seines Unternehmens wahrnehmen können.
Viele Unternehmen haben diesen wichtigen Leitbildprozess bereits angestoßen. Vor allem in den Branchen, die schon länger Schwierigkeiten haben, qualifizierte Mitarbeitende zu finden und zu binden. Weil das das das entscheidende Kriterium für Erfolg oder Misserfolg geworden ist. Deshalb lohnt es sich auch, hier ganz genau hinzuschauen.
Andreas Kahl