Wir sind eine große Familie

Zu Gast bei der Riesenbeck-IT und ihrem Chef Markus Riesenbeck

Markus Riesenbeck, Geschäftsführer einer IT-Firma für Arztpraxen und medizinische Versorgungs-Zentren, war im April unser Gastgeber für das 5. sinnwerken-Meetup.

Der Unternehmer geht einen ganz eigenen Weg, um seine „Familie“, wie er seine Mitarbeiter liebevoll nennt, für Austausch und Zusammenarbeit zu begeistern.

Unternehmergeschichte und Unternehmerrolle

Lieber Markus, du bist seit vielen Jahren selbstständig. Gab es einen Traum oder gar eine Vision, die du damit verwirklichen wolltest?

Früher nicht, da wollte ich erst mal nur mein Wissen einbringen. Meine Vision habe ich erst auf dem Weg gefunden. Wir hatten am Anfang alle möglichen Kunden und sind über die Labordatenkommunikation in die Ärztewelt reingerutscht. Hierauf haben wir uns dann spezialisiert, um den bestmöglichen Service und die bestmögliche Expertise anbieten zu können. Dabei hat sich peu à peu ergeben, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter sein wollen.

Mit welcher Einstellung und Vorannahme zur Unternehmerrolle bist du in die Selbständigkeit gestartet?

Die ersten Jahre waren „learning by doing“. Ich habe entsprechende Fortbildungen besucht und mich immer, wenn sich ein Problem ergeben hat, damit auseinandergesetzt. Einige Sachen habe ich dabei anfangs unterschätzt, anderes wiederum überschätzt. Unterschätzt habe ich zum Beispiel die Steuerproblematik, da musste ich mich erst einmal reinfuchsen. Aber auch organisatorische Dinge und Teamdynamiken. Ich hatte Ideale im Kopf, Dinge, die perfekt funktionieren. Doch wenn man es mit Menschen zu tun hat, entwickelt es sich unter Umständen doch anders als man es sich am Wochenende überlegt hatte. Ich stand da vor vielfältigen Herausforderungen, die ich am besten im Team bewältigen konnte.

Wie oft hat sich deine Einstellung zu deiner Rolle als Unternehmer über die Jahre verändert?

Sicherlich mehrfach. Am Anfang habe ich viel und gern selbst mitgearbeitet, heute versuche ich mehr und mehr, mich überflüssig zu machen. Es geht mir darum, die Prozesse zu verbessern, sprich an der Firma zu arbeiten und nicht in der Firma. Das ist aktuell mein Selbstverständnis. Dafür muss ich allerdings delegieren, Verantwortung abgeben und Strukturen so aufbauen, dass alles gut funktioniert und kein Glücksspiel ist.

Wichtig ist mir, Prozesse vorausschauend und skalierbar zu planen. Damit sie auch noch mit 2, 3 oder 5 Mitarbeitern mehr und auch mit 20 zusätzlichen Kunden sauber funktionieren – und wir nicht immer wieder alles von Anfang an denken müssen, nach dem Motto „Oh, wir haben einen neuen Kunden, was machen wir denn jetzt?“ Ich sehe mich da in der Rolle, diese Strukturen zu definieren und mit dem Team gemeinsam auszugestalten.

 

Mitarbeiterbindung/Arbeitgebermarke

Wir arbeiten seit 2015 zusammen und rekrutieren für die Riesenbeck-IT Mitarbeiter. Mich beeindruckt, dass es bei euch kaum Fluktuation gibt. Was macht ihr anders?

Wir haben in der Zeit, in der wir angefangen haben, mit euch zu arbeiten, unser Geschäftsmodell umgestellt – vom klassischen IT-Systemhaus zum Managed Service Provider. Das hat viele Veränderungsprozesse mit sich gebracht, da dies ein gänzlich anderes Geschäftsmodell ist. Während der Umstellung haben wir gemerkt, dass so tiefgreifende Veränderungen ins Team getragen werden müssen und vom Team getragen werden müssen. Deshalb haben wir in diesem Kontext neue Tools eingeführt, um direktes Feedback von den Mitarbeitern zu bekommen.

Wir arbeiten seitdem zum Beispiel mit CompanyMood, einem Tool, das auch für Unternehmen mit kleineren Mitarbeiterzahlen gute Preismodelle bietet. Darüber holen wir wöchentlich Feedback von unseren Mitarbeitern ein: Wie zufrieden seid ihr mit den Veränderungsprozessen, der Work-Life-Balance, Gesundheit etc.? So haben wir eine direkte und regelmäßige Rückkopplung dazu, wie zufrieden die Mitarbeiter mit dem sind, was wir gerade tun und wie die Stimmung derzeit im Team ist. Es ist ein ganz wichtiger Punkt für mich auf dem Weg gewesen, nicht irgendwann den Rückhalt vom Team zu verlieren und das im Auge zu behalten. In Monatsmeetings oder persönlichen Gesprächen findet man einfach nicht immer heraus, wo der Schuh drückt.

Anfangs habe ich sehr direktes Feedback bekommen, in der Zeit, in der wir im Monat vier neue Tools eingeführt haben. „Immer, wenn der Chef bei einem Seminar war, bringt er wieder zwei Tools mit …“ – hieß es in der Firma. Der ein oder andere hat mich auch Mr. Tool genannt. Da wusste ich, jetzt muss ich gucken, dass das alles auch sinnhaft bleibt.

Wir diskutieren ja häufiger darüber, wie man Mitarbeiterbindung und Führung neu und zukunftsorientiert interpretieren kann und in diesem Zusammenhang hast du gesagt: „Meine Mitarbeiter sind meine Familie.“ Magst du mal erzählen, wie dir das gelingt, diesen Familiengedanken zu leben und in den Berufsalltag einzubringen?

Die Basis von allem ist bei uns bedingungsloses Vertrauen, wie in einer echten Familie. Deshalb sprechen wir auch schon am Anfang eines Bewerbungsgespräch davon, dass Vertrauen der Kern unserer Zusammenarbeit ist.

Ein zweiter Punkt, der sich auch durch echte Familien zieht, ist das Wissen, dass wir nur dann erfolgreich sein können, wenn jeder mitzieht und niemand hängengelassen wird. Wenn es also individuelle Probleme gibt, schaffen wir dafür individuelle Lösungen. Das ist einer der Vorteile, die wir als kleines Unternehmen haben. Wir sind flexibel. Zum Beispiel, wenn es um die Kinderbetreuung in Corona-Zeiten oder ähnliches geht. Es ist bei uns nicht alles nur auf das Geschäftsgebaren eingestellt. Wir haben vielmehr die Verantwortung, uns auf die Mitarbeiter einzustellen, soweit möglich.

Alles ist ein faires Geben und Nehmen. Jeder weiß, dass er sich auf seine Kollegen verlassen kann, aber auch auf seinen Arbeitgeber. Wir hatten da schon mehrere wilde Situationen, wo andere Arbeitgeber ggf. schon aufgegeben hätten. Mir ist es jedoch ganz wichtig, erst einmal dahinter zu schauen und zu gucken: Was ist da gerade los bei demjenigen? Wo können wir unterstützen? Was können wir wie handhabbar machen? Und dann unterstützen wir gern auch bis ins Privatleben rein. Heißt: Wir suchen auch schon mal Wohnungen und organisieren unsere Arbeit für einen Mitarbeiter um.

Wir kriegt man diesen Familiengedanken, diese Idee möglicherweise auch in eine größere Organisation mit 100 Mitarbeitern transportiert? Kannst du da etwas zu sagen?

Ein Tool, das uns geholfen hat, ist Crewhu Employee Recognition. Das ist ein Wertschätzungstool, bei dem sich Mitarbeiter untereinander nach einem Punktesystem Anerkennungsbadges geben können. Zum Beispiel dann, wenn ein Mitarbeiter einem anderen bei einer außergewöhnlichen Sache geholfen hat, ein besonders kniffliges Problem gelöst hat, eingesprungen ist, sich für den anderen eingesetzt hat. So können wir das wertschätzen, was sonst oft unausgesprochen bleibt. Und es bekommen alle mit, dass jemand wertgeschätzt wird.

Darüber hinaus haben wir hier auch den Bereich Kundenzufriedenheit mit eingebunden. In allen E-Mail-Signaturen sind entsprechende Icons integriert, so dass wir eine direkte Rückkopplung zu jedem einzelnen Kundenticket haben.

Wir haben dadurch transparent gemacht, wie jeder Einzelne von uns seinen Kollegen und unseren Kunden gegenüber wirkt. Das würde sicher auch in größeren Unternehmen funktionieren.

Was hat sich mit der Pandemie bei euch in der Zusammenarbeit verändert? Ist es eine größere Aufgabe als vorher, alles zusammenzuhalten?

Es ist eine große Herausforderung – auch, wenn wir ein IT-Unternehmen sind. Wir mussten erst einmal schauen, wie wir mit welchen Tools Collaboration (Zusammenarbeit) fördern und was wirklich Sinn macht. Deshalb haben wir zum Beispiel unser Video-Konferenztool noch mal umgeswitcht und unsere Digitalmeetings vom Zeitplan her angepasst. Jetzt haben wir jeden Morgen einen kurzen Abstimmungscall in jeder Abteilung, bei dem sich alle einmal sehen und besprechen, was für den Tag anliegt. Also das, was wir im Büro so nebenbei gemacht haben.
Dazu haben wir ein wöchentliches „Corona-Meeting“, um rechtliche Änderungen zu kommunizieren und bei Bedarf Maßnahmen zu beschließen, die ja auch in den privaten Bereich hineinreichen. Wir besprechen hier auch, wie wir mit Kunden und Kundensituationen umgehen, zum Beispiel in Bezug auf die Themen Maskenpflicht, Selbsttests etc.
Es ist uns wichtig, ein Konzept haben, in das alle eingebunden sind und das von allen getragen wird. Deshalb haben wir uns hier auch im Vorfeld ausgetauscht, wie wir das alles realisieren können.

Sprecht ihr jetzt mehr, weniger oder anders miteinander?

Wir sprechen heute anders miteinander. Wir telefonieren sehr viel mehr. Teams ist auf jeden Fall ein wichtiges Tool an den Stellen, an denen wir früher einfach an einen anderen Arbeitsplatz gegangen sind und über die Schulter geschaut haben. Das machen wir jetzt mit Bildschirmfreigaben.

Es hat einige Zeit gedauert, bis uns das in Fleisch und Blut übergegangen ist und wir den gleichen Drive hatten. Aber unterm Strich sind wir heute genauso produktiv, nur eben mit einem anderen Procedere.

Welche Herausforderungen siehst du für euch in Bezug auf das Thema Arbeitgebermarke?

Wir arbeiten natürlich immer daran, für potenzielle Arbeitnehmer attraktiv zu sein. Dazu gehören auch Obstkorb und Getränke – also Dinge, die inzwischen fast jedes Unternehmen mehr oder weniger macht. Der wichtigste Punkt bei uns ist jedoch das Open-Door-Konzept. Das heißt: Meine Tür steht immer offen. Bei mir kann jeder rein, Fragen stellen und Ideen loswerden. Es geht mir darum, dadurch den Familienzusammenhalt zu pflegen. Das sollte allen in Fleisch und Blut übergehen. Warum? Damit wir attraktiver sind als ein Großunternehmen, in dem man die anonyme Nummer 244 ist und seine Ideen nicht einbringen kann.


Mitarbeiterrekrutierung/Managed Recruiting Service

Markus wir haben zusammen in 2019 eine Dienstleistung für die Rekrutierung entwickelt, die sich Managed Recruiting Service nennt. Magst du aus deiner Sicht einmal darstellen, was das für dich bedeutet?

Wir haben gesehen, dass wir die gleichen Herausforderungen wie unsere Kunden haben: ein hohes Anfangsinvestment. Während es bei unseren Kunden bei diesem Invest um eine neue IT-Anlage geht, ist es bei uns im Recruiting die Vorbedingung, um überhaupt mit der Suche beginnen zu können.
Früher musste sich eine neu geschaffene Stelle nach der Einstellung deshalb erst einmal amortisieren, bevor wir weitere neue Mitarbeiter einstellen konnten. Mit dem Managed Recruiting Service können wir jetzt in genau dem Tempo suchen, welches für unseren Geschäftsalltag sinnvoll ist.
Dazu fühlt sich Kahl & Konsorten für die Mitarbeiter verantwortlich, die wir vermittelt bekommen haben und es ist ein hohes Eigeninteresse da, zielgenau zu vermitteln. Schließlich geht es um eine langfristige Zusammenarbeit. Kahl & Konsorten sitzt also mit uns in einem Boot und muss Stellen nachbesetzen, wenn ein vermittelter Mitarbeiter während der Laufzeit kündigen würde.
Das ist ein sehr attraktives Modell für uns, auf das wir sicher noch häufiger zurückgreifen werden.

Welche Vorteile bieten Managed Recruiting Services?

Es geht dabei um ein Recruitingsmodell, das ohne große Einmalzahlung und damit ohne hohes Anfangsinvest auskommt. Wie bei einem Wartungsvertrag in der IT (Managed Services) werden die Leistungen des Recruitingdienstleisters in monatlichen Raten gezahlt. Im vorliegenden Fall sind es 27 Monate lang ein Prozent vom Bruttojahreszielgehalt. Die Riesenbeck IT hat dafür 32 Monate lang das Recht einer 100%-igen kostenfreien Nachbesetzung – wie bei einer externen Personalabteilung.

 

Wie sehen die zusätzlichen Personalbedarfe in 2021 und 2022 bei euch aus? Kannst du das schon abschätzen?

Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr noch 4 bis 5 Mitarbeiter dazu bekommen werden. Die Planungshorizonte sind seit Corona zwar etwas kürzer geworden, aber ich denke, dass sich das auch nächstes Jahr fortsetzen wird. Nicht zuletzt, weil es einige rechtliche Änderungen gibt, die vermuten lassen, dass der IT-Bedarf weiter zunehmen wird.

Menschen tun sich oft schwer, etwas zu verändern. Wie kam es, dass du dich verändert hast?

Bei mir war der kritische Punkt wie schon erwähnt 2005 erreicht. Da habe ich gemerkt, dass es nicht so gut funktioniert, meine Ideen von oben ins Team zu drücken und immer wieder mit neuen Tools zu kommen, die alle benutzen sollen. Es wurde mir klar, dass ich die Kollegen, die damit arbeiten sollen, mit einbeziehen muss. Deshalb habe ich so etwas wie einen Kulturshift gemacht und binde nun das ganze Team mit in die Entscheidungsfindung ein.

Wir haben dafür unter anderem den kompletten Freitagnachmittag für einen Think-Tank-Termin reserviert. In dieser Zeit machen wir nichts anderes als uns Gedanken dazu, wie wir an der Firma arbeiten, Prozesse definieren oder verbessern, unser Ticketsystem effizienter machen oder neue Managed Services zusammenstellen können. Wir greifen uns jede Woche eines dieser Themen heraus und diskutieren das in Gruppen oder mit dem ganzen Team.

„Time ist money“ ist in so einem Prozess nicht förderlich. Das war eine wesentliche Erkenntnis für mich. Denn natürlich ist es ein unternehmerisches Invest, die Leute freitags aus dem Tagesgeschäft rauszuziehen. Das ist im ersten Moment auch wirklich nicht förderlich für den Umsatz. Doch am Ende lohnt sich das Invest doppelt und dreifach. Wir sind mit unseren optimierten Konzepten insgesamt erfolgreicher geworden.

Ich kann es nur empfehlen, einmal in der Woche aus dem Hamsterrad auszusteigen. Es ist einfach nicht der richtige Weg, vor lauter Kundenanfragen die internen Konzepte nicht anzugehen. Nur an Konzepten zu arbeiten, ist natürlich auch nicht zielführend. Es geht vielmehr darum, individuell zu schauen, wieviel Engagement Sinn macht, um intern an der Firma und den Prozessen zu arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview ist eine Zusammenfassung.